"Der Computer paßt so schlecht ins Bett oder in die Badewanne"FN-Umfrage im Internet-Café Falkens Maze in der Königstraße über die Lesegewohnheiten der Verehrer des weltweiten digitalen Informationsmediums Internet | ||||
FÜRTH Sprachwissenschaftler bezeichnen die Erfindung des
Internets gern als zweite Gutenbergsche Revolution.
Über Glasfaserkabel und ISDN fließen Datenmengen in kaum
meßbarer Dimension.
Für die Gäste des Internet-Cafés Falkens Maze
sind sie die erste Adresse auf der Suche nach Informationen, nach Kontakten,
nach Small-Talk und Computer-Latein. In der Königstraße 78
treffen sich die wahren Verehrer des digitalen Geflechts, das alle mit
allen auf der Welt verbindet. Lesen sie überhaupt noch auf
schnödem Papier, in einer Tageszeitung oder gar in einem dieser
altmodischen Produkte namens Buch? Die Fürther Nachrichten
sprachen mit einigen Gästen in der Kneipe über ihre
Lesegewohnheiten und ob sie die Lokalzeitung im Netz überhaupt
interessiert. Reinhold Pretscher, im Channel Erlangen als Unhold bekannt (28), Gastwirt: Wird Zeit, daß die FN ans Netz gehen. Nur das Geblinke des animierten Werbeblocks geht mir auf den Nerv. Aber da gibt's Tricks, um sie verschwinden zu lassen. Ich lese eigentlich nur auf dem Bildschirm. Nachrichtenmagazine wie Focus. Das wird täglich aktualisiert. Aber es gibt noch was viel Schöneres, die Nachrichtenagentur dpa direkt. Die aktualisiert im Fünf-Minuten-Takt. Eine Zeitung habe ich noch nie abonniert. Papier muß ich zum Container tragen. Unnötiger Aufwand. Irgendwann kriegen die Verleger ihre Zeitungen eh nicht mehr los. Die Nachrichten, die mich interessieren, holt mir ein Programm nachts zum Billigtarif aus dem Netz runter, beim Frühstück les' ich sie dann offline am Computer auf dem Küchentisch. Ich und ein Buch lesen? Noch nie. Stopp, doch, ,Per Anhalter durch die Galaxis' hab' ich gelesen, alle fünf Bände, online. Christina Barth alias Aphro (25), Elektro-Technik-Studentin: Für ein Zeitungs-Abo hab' ich zur Zeit kein Geld. Wenn, dann lese ich Zeitungen im Internet. Aber ich schmökere unheimlich gerne in Büchern. Belletristik kann man nicht über den Bildschirm laufen lassen. Das macht die Augen kaputt. Für mich ist das Web eine Ergänzung. Die Leute, die jetzt kein Papier mehr in die Hand nehmen, haben's vorher auch nicht angefaßt. Bei einer Zeitung ist das Netz als Übermittlungsmedium sinnvoll. Das macht weniger Müll. Aber ein Buch möchte ich aufbewahren. Ersetzen kann eine Online-Zeitung die normale nicht. Das Laptop ist nicht so mobil. Jochen Kaiser alias Kind (26), Informatik-Student: Ich lese vor allem in den Newstickers vom Netz herum. Das sind aktuelle Kurzmeldungen zu allen möglichen Themen. Außerdem interessiert micht das Magazin für Computer-Technik, der Spiegel, die Zeit und Fernsehzeitungen, natürlich alles im Netz und ohne Werbung. Die filtert mir ein Programm raus. Wir haben im Studentenwohnheim eine Standleitung, die uns direkt mit der Uni Erlangen verknüpft. Für 25 Mark im Monat, ohne zeitliche Begrenzung. Das ist klasse. Was ich an den Webseiten nicht so gut finde, sind die angerissenen Texte, die über Links zu Fortsetzungen führen. Das ist leserunfreundlich. Ich nutze die Möglichkeiten des Internet als Wissensdatenbank. Meine Augen will ich aber schonen. Solange es nur diese unhandlichen Röhrenmonitore gibt, finde ich den Umgang mit einem Buch viel schöner. Ersetzen kann der Computer das Buch nicht, den Fernseher schon. Selbst die Tagesschau ist für mich überflüssig geworden. Michael Lang alias Dire Wolf (19), Computertechnischer Berater: Auf Papier lese ich nur Fantasy-Romane oder Computer-Magazine. Denn Rechner kann ich nämlich schlecht mit ins Bett oder in die Badewanne nehmen. Da ist Gedrucktes praktikabler. Mein Informationsbedürfnis für Nachrichten decke ich mit der Online-Ausgabe der ZDF-Nachrichten. Alle halbe Stunde gibt's die News, da bist du immer auf topaktuellem Stand. Ich habe eine feste Leitung über den Bürgernetzverin für 100 Mark im Monat. Online hole ich mir auch die Fernsehprogramme runter. Denn der Fernseher läuft bei mir den ganzen Tag, in einem kleinen Fenster auf meinem Rechner. Eigentlich läuft bei mir alles über den Rechner: Die Post, die Musik, das Fernsehprogramm. Und der PC läuft den ganzen Tag. Der Freak, der hinterm Computer verstaubt, bin ich aber bestimmt nicht. Man will ja die Leute, die man im Internet kennengelernt hat, auch mal in der Realität erleben.
Cornelia Herold alias Engel (33), Diplom-Kauffrau: In
Papierform lese ich Fachliteratur und Belletristik. Lokalzeitungen sind
für mich wenig interessant, ich begeistere mich nicht für
regionale Events. Vom Stern habe ich die Newsletter abonniert.
Die schicken einmal die Woche neueste, thematisch geordnete Nachrichten
ins Netz. Manchmal kaufe ich mir schon ein Nachrichtenmagazin, wenn ich
weiß, ich bin unterwegs und muß mit Wartezeiten rechnen.
Focus hatte ich mal abonniert, aber ich brauche sowas nicht.
Ich kriege die gleichen Infos meist viel schneller via Bildschirm.
Irgendwie ist man mit Netzzugang schon privilegiert. Vieles, wofür
andere bezahlen, kriege ich kostenlos. Und fängt man mal an zu graben,
finden sich immer genauere Infos. Es gibt mittlerweile sogar schon Seiten,
die bieten psychologische Beratung an. Genau das richtige für
diejenigen, die sich hinter den Bildschirm verkriechen.
Aber das Netz ermöglicht auch, den Draht zu vielen Menschen
überhaupt erst zu knüpfen. Wie im normalen Leben eben auch:
Wer kontaktarm ist, vergräbt sich, der andere nutzt die Chance.
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